Effiziente und saubere Bioabfallsammlung – Bestpractices

Effiziente und saubere Bioabfallsammlung – Bestpractices

Erstellt von Silke Pöstinger in News 06 März 2025

Bioabfall ist ein natürlicher und hochwertiger Rohstoff – aber nur, wenn er getrennt und sortenrein gesammelt wird.

 

Die Kompostierung ist in Österreich seit Jahren eine gut gelebte Praxis für die Verwertung von biogenen Abfällen. In Zusammenarbeit von Gemeinden, Bezirksabfallverbänden und Kompostanlagenbetreibern entsteht aus getrennt gesammelten biogenen Abfällen ein hochwertiger Rohstoff zur Bodenverbesserung. Doch nicht alles, was von den Haushalten in die Biotonnen gelangt, kann verarbeitet werden.

 

Das zeigt auch die den Jahren 2021 und 2022 von der BOKU Wien durchgeführte Störstoffanalyse von angelieferten Bioabfall, welche in den Bundesländern OÖ, NÖ und STMK durchgeführt worden ist. Bei der Untersuchung wurden u.a. saisonale Unterschiede in den Störstoffgehalten festgestellt. Im Sommer lagen die Störstoffgehalte (Glas, Metall, Kunststoffe) im Mittelwert bei 1,41 % FM. Im Winter war der Störstoffgehalt aufgrund des vermehrten Aufkommens von Lebensmittel- und Speiseabfällen, sowie des verminderten Aufkommens von Grün- und Strauchschnitt etwas höher und lag bei 1,89 % FM.

 

Abb. 1: Ergebnisse der BOKU Störstoffanalyse aus den Jahren 2021/2022

 

Ein vermehrtes Problem sind dabei vor allem Kunststoffe, da diese nur unter hohem Aufwand aussortiert werden können. Die Kunststoffe stellten bei der Analyse die größte Fraktion an Störstoffen dar, gefolgt von Metallen und Glas. Positiv zu erwähnen ist, dass 54% der erfassten Störstoffe biologisch abbaubare Sammelhilfen sind und somit mit dem gesetzlichen Verbot von nicht abbaubaren Einweg-Tragetaschen ein enormer Eintragspfad eliminiert wurde. Diese wurden daher naturgemäß in der Störstoffberechnung nicht berücksichtigt. Mit 21% sind leider noch immer enorme Mengen an nicht abbaubaren Kunststoffsäcken am Markt und in der Biotonne wieder zu finden. Durch konsequentere Umsetzung (Kontrolle) dieses Gesetzes und der Erweiterung auf alle Einwegsäcke wie Müllbeutel könnte hier noch eine enorme Verbesserung erreicht werden.

 

Abb. 2: Zusammensetzung der Störstoffe aus den von der BOKU durchgeführten Analysen

 

Störstoffe in der Biotonne fordern zusehends neue Lösungen sowohl bei der Sammlung als auch Kompostierung. Aus diesem Grund haben wir für Sie eine Sammlung von Best Practice Beispielen zusammengestellt, um aufzuzeigen wie eine saubere und effiziente Bioabfallsammlung umgesetzt werden kann.

 

Mürzverband – Effizientere Bioabfallsammlung und höhere Sammelqualität

Projektdauer: 01.03.2023 bis 01.03.2024

 

Kontrolle und Maßnahme:

  • Verwendung von Mehrweggefäßen oder Vorsammelhilfen
  • Tonnenkontrollen bei der Sammlung – Rückmeldungen an die Bevölkerung zu den Fehlwürfen
  • Prüfung der Sammeltouren bezogen auf Anlieferchargen

 

Wirsame Maßnahme: Verteilung von Vorsammelhilfen

  • vor der Wohnungstüre (hohe Wirkung, vertretbarer Aufwand)
  • mit Beratung (hohe Wirkung, hoher Aufwand)
  • gratis zur Abholung (keine Wirkung)

 

Ergebnisse:

 

 

 

Durch die Nutzung von Vorsammelhilfen konnte der nicht abbaubare Kunststoffanteil von 60% auf 10% herabgesenkt werden.
Finanzierung der Vorsammelhilfenverteilung durch Verrechnung der Kosten an schlecht trennende Liegenschaftsverwaltungen. Vorteile: keine Kosten für die Kommune, nur die schlecht Trennenden zahlen, nur die schlecht Trennenden bekommen Vorsammelhilfen (sparsam und ressourcenschonend)

 

Stadtbetriebe Steyr – Maßnahmen zur Steigerung der Bioabfallmenge und der Qualität

Projektdauer: 2016-2023

 

Umstellung der Abfallgebühr

  • OÖ AWG schreibt Biotonne im dicht besiedeleten Gebiet vor
  • OÖ AWG gibt eine Gesamtgebühr für Rest- und Bioabfall vor. Alle Leistungen sind mit einer Abfallgebühr zu verrechnen
  • Um auch Einzelhaushalte an die Biotonne anzuschließen, ist eine Gebührenänderung nötig
  • Intensive Beratung in den Gremien der Stadt
  • Beschluss durch die Stadt Steyr die Gebühr innerhalb von drei Jahren umzustellen
  • Im Umstellungszeitraum 2016-2019 wurde die Restmüllgebühr jedes Jahr über Index erhöht und die Bioabfallgebühr um  1/3 gesenkt
  • Gleichzeitig wird die Restmüllgebühr angeglichen (Kosten pro Entleerung)
  • Ab 2019 Gesamtgebühr für alle Leistungen (Biotonne ist kostenfrei)
  • Möglichkeit der Verrechnung von Biotonnen als Restmülltonnen bei zu vielen Fehlwürfen

 

Begleitende Maßnahmen

  • Intensive Information der Bürger*Innen in regionalen Medien, Amtsblatt und Aushang in Wohngebäuden sowie Information mit Betriebskostenabrechnung
  • Neue Beklebung der Sammelbehälter und des Sammelfahrzeuges
  • Einführung einer Vorsammelhilfe
  • Intensive Gespräche mit den Kompostanlagenbetreibern
  • Rechnerische Ermittlung des Fehlwurfanteiles (Rückliefermengen)
  • Kontrolle der Biotonnen durch die Aufleger
  • Schulung der Mitarbeiter des Bio-Fahrzeuges
  • Bei sehr schlechter Qualität des Bioabfalls Mitteilung an den Bürger/die Bürgerin mittels Anhänger die Entleerung erfolgt durch das Restmüll-Fahrzeug
  • Nach dritter „Warnung“ Verrechnung der Biotonne als Restmülltonne
  • Einführung von Teil-Verwiegungen des Biofahrzeugs (je 1 Woche pro Quartal)
  • Ab 2025 eigene Wiegeeinrichtung auf dem neuen Biofahrzeug

 

Wiederkehrende Öffentlichkeitsarbeit Maßnahmen

  • Regelmäßige Erstellung von Artikel für Printmedien (Amtsblatt, Rundschau, Tips, …)
  • Information der Hausverwaltungen
  • Durchführung von Stiegenhaus Gesprächen in Mehrparteienwohnanlagen
  • Bewerbung des Themas über Social Media (Facebook, Instagram)
  • Bessere Implementierung Bioabfall in Vorträgen und Workshops
  • Informationstonne für Schulen und Veranstaltungen
  • Einführung einer Vorsammelhilfe (kostenlos bei jeder neuen Biotonne)
  • Verkauf der Maisstärkesäcke im ASZ zum Selbstkostenpreis
  • Regelmäßige Analysen von Bioabfalltonnen
  • Veranstaltung von Kompostinfotagen gemeinsam mit den Kompostanlagenbetreibern
  • Bewerbung mittels Infoständen
  • Erstellung Infoblätter

 

Ergebnisse:

 

 

GVU Scheibbs – Apfelbutznrazzai und Dokuapp „SMAWI“

Gemeinschaftsprojekt mit FH St. Pölten, GVU Scheibbs, GVU Melk

 

Ziel: Dokumentation und Verortung offensichtlicher Fehlwürfe in der Bio- und Restmülltonne

 

Dokumentiert wird duch Abfuhrpersonal direkt bei der Entleerung

  • Störstoffe
  • Tonnennummer

 

Anbringen eines Tonnenanhängers:

  • Grün: Alles in Ordnung
  • Gelb: Störstoffe in der Tonne entdeckt, Kübel wurde aber geleert
  • Rot: Eine bestimmungsgemäße Verwertung ist nicht mehr möglich

 

Mediale Begleitung der Apfelbuaznrazzia:

  • NÖN
  • Gemeindezeitungen
  • Homepage
  • Social Media Kanäle des GVU Scheibbs

 

Ergebnisse/Erkenntnisse:

  • Nicht messbar, aber spürbar bessere Trennmoral bei der Biotonne
  • Verärgerte oder erboste Rückmeldungen aus der Bevölkerung blieben nahezu aus
  • Akzeptanz und Motivation bei den Müllfahrern ist groß
  • App ist sehr vielfältig einsetzbar (z.B. Beweissicherung bei nicht zugängigen Behältern)
  • Seit Jahresbeginn knapp 200 neue „Biotonnenuser“

 

Restmüllanalyse in der Gemeinde Wolfpassing

Probenahme:

  • 20 zufällig gewählte Haushalte (auch Mehrparteien – WHA) ohne Biotonne mit 240er Restmüll
  • Erstbeprobung in nichtvegetativer Zeit: 18.02.2022, Zweitbeprobung am 13.05.2022
  • Analyse mit HLUW Yspertal am 22.02.2022 und am 18.05.2022

 

Weitere Maßnahmen:

Praktikant hat alle Liegenschaften ohne Biotonne kartographiert. Schwerpunktsweise (z.B. 2023 Purgstall, 2024 Stadtgemeinde Scheibbs) werden diese persönlich angeschrieben.

  • Schreiben beinhaltet Information was in die Biotonne gehört, was nicht, und was man eventuell daheim kompostieren kann bzw. auf gar keinen Fall sollte.
  • Ziele: Steigerung Anschlussgrad der Biotonne sowie Sammelmenge, Reduktion der Menge an Organik im Restmüll

 

BAV Schärding

  • Biosackerlbox für Biosackerl (14l Papiersäcke, die von der Gemeinde zur Sammlung der Lebensmittelreste zur Verfügung gestellt werden)
  • Biosackerlbox wird von Kompostierern abgeholt
  • Maßnahmen und Kampagnen zur Verstärkung der Bioabfallsammlung
    • Intensivierung beim Mehrwohnungsbau
    • Angebot an den Siedlungswohnbau (Einfamilienhäuser)
    • Information durch Großplakate und Rundfunk
    • Info über Gemeindezeitung, Bürgermeisterbrief, BAV-Inform, usw.

 

Weitere Informationen: https://www.umweltprofis.at/schaerding/aktuelles/nachrichten_detail/n/detail/News/biosackerl.html

 

BAV Ried „Aktion scharf“ gegen Störstoffe in der Biotonne

Projektdauer: laufend

 

Pilotphase 2019

  • 9 Pilotgemeinden (meldeten sich im Zuge einer BAV-Klausur freiwillig)
  • Vorarbeit in den Gemeinden → Gemeindetour, Gespräche mit Funktionären, Sachbearbeiter*innen (Bürgerservice & Verrechnung)
  • Gute Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Vorfeld(Presseberichte, Amtliche Mitteilung an jeden Haushalt)
  • Mitfahrt durch den BAV in jeder Pilotgemeinde
    • mit den Schüttern gemeinsam festlegen: Was ist eine ROTE KARTE?
    • in der Pilotphase auch GELBE KARTEN durch BAV

 

Ergebnisse:

 

 

Fazit: Pilotphase 2019

  • Es sind nur einige wenige Verursacher, die viele Störstoffe einbringen:
    • 1 -4 % der Biotonnen sind Rote-Karten-Tonnen
  • Gründe für Störstoffeinwurf:
    • Unwissenheit: falsche Vorsammelhilfe, Säcke aus recyceltem PE
    • Irrglaube: verpackte Lebensmittel
    • Ignoranz: erweiterte Restabfalltonne
  • Die Anzahl der verunreinigten Tonnen nimmt durch die Roten Karten stark ab: „Bei 2. Kontrolle schon viel besser“ (Aussage Fahrer und Gemeinden)

 

Bezirksweite Umsetzung 2020

  • Aufnahme der Sichtkontrollen in die Sammelverträge der Gemeinden mit dem Sammelunternehmen
  • Start der Aktion scharf auch in der Stadt Ried (rd. 12.200 EW)

 

Stärken der „Aktion scharf“

  • sehr positiv aufgenommene Aktion:
    • Viele gute Rückmeldungen von Gemeinden, Sammlern, Kompostierern, Bürger*innen → fast keine Beschwerden
  • verstärkt Nachfragen aus der Bevölkerung zur richtigen Biosammlung „Mache ich es eh richtig?“
  • Verursachergerecht?
    • im Einfamilienhausbereich auf jeden Fall → Betroffene müssen selber zahlen, 50 €tun weh! Gute Zahlungsmoral
  • Die „Kontrollen mit Konsequenzen“ führen zu einer spürbaren Verbesserung der Bioabfallqualität!

 

Schwächen der „Aktion scharf“

  • arbeitsintensiv – dafür extrem nahe am Bürger
  • schwieriger in Wohnanlagen:
    • kleine Anlagen bis ca. 10 Wohnungen → Verbesserung durch sozialen Druck
    • größere Anlagen – höherer Beratungsbedarf! Durch Sonderentleerungen bei Wohnanlagen wurde der Kontakt zu den Wohnbaugenossenschaften wesentlich verbessert
  • Messbarkeit der Verbesserung?

 

Weitere Informationen: 23-03 Erde gut alles gut.pdf, BAV Ried: Biotonnen im Bezirk Ried werden „scharf“ gestellt – Ried

 

Bioabfallsammlung in Contarina/Italien

  • Aufkommen Bioabfall 87 kg/Kopf und Jahr <1% Störstoffe
  • Behandlung von organischen Abfällen
    • Behandelte Abfälle: 73.000 Tonnen/Jahr (45.000 Tonnen organische Abfälle und 28.000 Tonnen Gartenabfälle)
    • Kompostproduktion: 26.800 Tonnen/Jahr
  • Bewusstseinsbildung
    • Magazine
    • Zweigstellen
    • Kalender
    • Tag der offenen Türe
    • Öffentlichkeitsarbeit in Schulen
    • Website und Socialmedia
    • Weiterbildungen

 

Ein Grundprinzip des „Contarina-Modells besteht darin, dass die Kosten der Dienstleistung für den Nutzer (Familie, Unternehmen, Körperschaft oder sonstige Einrichtung) proportional zur Abfallmenge sind. Dadurch wird ein Anreiz geschaffen das Abfallaufkommen zu minimieren sowie die Eigenkompostierung zu fördern. Konkret bedeutet dies, dass die Gebühr für die Abfallerzeugung in zwei Teile aufgeteilt wird: einen fixen und einen variablen. Der fixe Teil hängt von der Anzahl der im Haushalt lebenden Mitglieder ab, während der variable Teil anhand von zwei Variablen berechnet wird. Bei der einen wird die Anzahl der Leerungen der Restmülltonne bestraft. Bei der anderen handelt es sich um einen Bonus für Haushalte, die zu Hause kompostieren, und die eine Ermäßigung von 30 % auf die variable Gebühr erhalten.

Weitere Informationen: The story of Contarina – Zero Waste Cities

 

Weitere Maßnahmen

 

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